Bibel wörtlich nehmen

Aus Bibel - Heilige Schrift
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Inwieweit darf man die Bibel wörtlich nehmen?

Die Bibel und die dort berichteten Ereignisse bilden eine wesentliche, wenn nicht gar die hauptsächliche Grundlage für viele Religionen. Einige der dort geschilderten Aussagen mögen jedoch aus heutiger Sicht unglaubwürdig oder gar fehlerhaft erscheinen. Die Frage ist daher, ob man alle der biblischen Berichte generell uneingeschränkt glauben darf und ob diese Berichte immer so zu verstehen sind, wie sie geschrieben sind, oder ob man sie nicht zuweilen in einem übertragenen Sinn interpretieren muss?

Die Bedeutung der biblischen Inhalte ist von entscheidender Bedeutung für die Anhänger der Religionen, die auf der Bibel aufbauen. Doch auch für alle anderen Menschen hat die Bibel grundlegende Bedeutung. Denn letztlich ist die Bibel als Grundlage von Religionen direkt oder indirekt auch die Grundlage generellen menschlichen Miteinanders in vielen Gesellschaften, insbesondere in den Ländern des christlich-abendländischen Kulturraums geworden.

Eigentlich sollte es bei den Berichten in der Bibel keine Unterteilung in glaubwürdigen und unglaubwürdigen Inhalt geben. Zumindest, wenn man "glaubwürdig" in dem Bedeutungszusammenhang des "Glaubens" sieht. Denn, wenn man die Bibel als Grundlage für seinen Glauben verwendet und sie als eine Tatsache ansieht, dann sollte man doch annehmen, dass alle dort geschilderten Dinge auch "wahr" sind. Zumindest wäre es eine gewichtige Frage, weshalb in der "heiligen Schrift" Unwahrheiten enthalten sein sollen.

Doch die Frage ist auch, ob wirklich alle Inhalte auch genau so gemeint sind, wie sie geschrieben sind und buchstabengetreu zu übernehmen sind, oder ob sich lediglich um tendenziöse Berichte handelt, die die Wahrheit zuweilen einem "höheren Zweck" opfern. In letzterem Fall wäre die Bibel ein interpretatorisches Werk, das zu einem großen Teil von (einigen wenigen) Menschen Deutung erlangt. So wäre etwa die Bedeutung des Fünften Gebots eine reine Auslegungssache, die etwa Kreuzzüge oder heilige Kriege nicht ausschließt. Die Frage, die sich dann jedoch ergibt ist, wer die Deutungshoheit hat, und ob die Bibel am Ende nicht nach Belieben interpretiert werden kann.

Die Unterteilung und Bewertung der Inhalte der Bibel sollte daher nach nachvollziehbaren Grundlagen und nicht aus Willkür geschehen. Dabei soll zumindest der Theorie nach zunächst einmal grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Inhalte der Bibel allesamt "wahr" sind. Selbst dann bleibt immer noch ein großer Raum für Deutungen zurück. Denn selbst, wenn man ein bestimmtes Ereignis dadurch als unbestritten annimmt, dass es in der Bibel berichtet wird, stellt sich dennoch sehr oft die Frage, welche Konsequenzen sich daraus ableiten lassen.

Problematisch wird es jedoch, wenn die Berichte in der Bibel unklar oder gar widersprüchlich sind. Im Falle der Unklarheit sollte man immer versuchen, die Schilderungen zunächst wörtlich zu nehmen, da dies das geringste Maß an Verfälschung darstellt. Nur wenn die wörtliche Deutung ganz offensichtlich unpassend oder nicht gemeint ist, muss man beginnen, die Bedeutung zu interpretieren und diese Interpretation zu begründen.

Als Hauptproblem jedoch erscheint, dass es in der Bibel zahlreiche Widersprüche oder zumindest doch offene Fragen gibt. Diese lassen sich eventuell daraus erklären, dass die Bibel selbst ja von Menschen aufgezeichnet, überliefert und übersetzt worden ist. Daher würden eventuelle Fehler nicht notwendig die Fehlerhaftigkeit oder gar die Nichtexistenz Gottes belegen. Dennoch muss gerade auch auf die Widersprüche ein besonderes Augenmerk gelegt werden, um sie zu erkennen oder zu versuchen, sie aufzulösen oder auszuräumen. Denn, solange es nachweisliche Fehler und Widersprüche gibt, scheint es ein fragwürdiges Unterfangen zu sein, alle Ereignisse und Schilderungen in allen Teilen "eins zu eins" zu übernehmen oder gar in Handlungsanweisungen oder Gebote zu übernehmen. Unter diesem Aspekt wäre die Bibel dann am Ende womöglich doch nur eine Richtschnur, aber kein absolutes Gesetz.



Quellen:
Sofern nicht anders angegeben alle Quellen: "Lutherbibel Standardausgabe", Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart, ISBN 3 438 015 609